Zum Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam zur Rückzahlung der zwischen 2001 und 2008 erhobenen Immatrikulations- und Rückmeldegebühr erklärt Isabelle Vandre, hochschulpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Brandenburger Landtag:
„Das heutige Urteil war ein voller Erfolg für alle, die seit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil 2017 darauf warten, endlich ihre zu Unrecht bezahlten, versteckten Studiengebühren zurück zu erhalten. Ich bedauere es zu tiefst, dass dafür erst der erneute Klageweg bestritten werden musste. Deswegen muss es nun schnell eine Lösung für alle ehemaligen betroffenen Studierenden geben. Als LINKE streiten wir natürlich weiterhin dafür, dass auch die aktuell erhobenen Gebühren abgeschafft werden.“
Politisches
PM Urteil Studiengebühren
Kleine Anfrage: Lehraufträge an den Brandenburger Hochschulen
Seit dem 1. September 2016 ist die Neureglung des § 58 des Brandenburger Hochschulgesetzes, der die Vergabe von Lehraufträgen an den Brandenburger Hochschulen regelt, in Kraft. Nach über zwei Jahren ist es daher an der Zeit zu überprüfen, welche praktischen Änderungen sich aus der gesetzlichen Neuregelung ergeben haben.
Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur hat meine Anfrage beantwortet.
Gedenken Todesmarsch Lieberose
Liebe Genossinnen und Genossen,
Liebe Freundinnen und Freunde,
wir sind heute hier um der 1600 Menschen zu gedenken, die die
SS zwischen dem 2. und 9. Februar 1945 vom KZ Außenlager Lieberose über Goyatz,
Kuschow, Teupitz, Zossen, Ludwigsfelde, Potsdam und Falkensee nach
Sachsenhausen trieb. Doch ich möchte damit beginnen zunächst einen Blick auf
diejenigen zu richten, die von den durchlebten Torturen zu geschwächt waren, um
mit auf einen der unzähligen Todesmärsche gezwungen zu werden.
Das sog. „Arbeitslager Lieberose“ existierte zwischen 1943 und 1945 in Jamlitz.
Es war ein Außenlager des KZ Sachsenhausen und dennoch kam der größte Anteil
der Häftlinge aus Groß – Rosen bzw. ab Juni 1944 aus Auschwitz nach Lieberose.
Andreas Weigelt gibt an, dass insgesamt ca. 11.000 Menschen in Jamlitz
inhaftiert und Lieberose damit seiner Kenntnis nach das zweitgrößte jüdische
der insgesamt 130 KZ – Außenlager im „Reichsgebiet“ gewesen sei. Des Weiteren
schildert er, dass der Krankenstand und die Sterblichkeit in keinem anderen
Außenlager Sachsenhausens so hoch gewesen sei wie in Lieberose. Er schreibt:
„Im Sommer 1944, also nur kurze Zeit nach Ankunft des ersten Massentransports
aus Auschwitz, wurden in Jamlitz Schonungsblocks
eingerichtet. Die Zahl der arbeitsunfähigen Häftlinge nahm ständig zu und die
in den völlig einrichtungslosen Schonungsblocks vegetierenden Häftlinge wurden
in bestimmten Abständen in die Krematorien nach Birkenau gebracht. Nur etwa 20%
aller Häftlinge haben die Auflösung des Lagers im Februar 1945 überlebt.“
Ende Januar 1945 befanden sich vermutlich noch ca. 3.500 Häftlinge in
Lieberose. 700 von ihnen wurden bereits am 1. Februar in offenen Güterwaggons abtransportiert
und sollen über Falkensee nach Sachsenhausen gelangt sein, wo sie ermordet wurden.
Am 2. Februar, als die 1600 Häftlinge auf den Todesmarsch getrieben wurden, blieben
noch ca. 1300 Menschen in den sog. Schonungsblocks zurück. Die SS überließ die
Menschen, die sie zuvor vom Rest des Lagers durch Errichtung eines
Stacheldrahtzaunes abgetrennt hatte, jedoch nicht ihrem Schicksal. Es erfolgte
der Befehl zu einer „Sonderbehandlung“ – einer der unzähligen euphemistischen
Begriffe der Faschisten, der nichts anderes bedeutete als die Massenexekution
der geschwächten und kranken Häftlinge. Alle im Lager verbliebenen Männer der
Lager SS, Angehörige des SS – Bauhofes und das SS – Wachbataillons sollen sich
an den Exekutionen zwischen dem 2. Und 4. Februar beteiligt haben. Sie
erschossen die Gefangenen zum Teil noch in den „Schonungsblocks“ und zwischen
den Baracken. Die Häftlinge versuchten sich in ihrer ausweglosen Situation zur
Wehr zu setzen und verletzten den Lagerführer Kersten dabei lebensgefährlich.
Er überlebte jedoch während alle Häftlinge ermordet und in z.T. bis vor wenigen
Jahren unentdeckten Massengräbern auf dem Lagergelände und in dessen Umgebung
verscharrt wurden.
Auch viele der auf den Todesmarsch Getriebenen erreichten Sachsenhausen nicht.
Fliehende und vor Entkräftung zusammenbrechende Häftlinge wurden auf dem Weg
erschossen. Doch auch in Sachsenhausen gingen die Selektionen und Ermordungen
weiter. In den Tagen nach Ankunft der Kolonne wurden etwa 400 jüdische
Häftlinge auf dem Industriehof ermordet. Die meisten der ca. 1000 noch in
Sachsenhausen lebenden jüdischen Häftlinge wurden im Laufe des Februars in das
KZ Mauthausen gebracht. Nach weiteren Exekutionen und dem Versuch der SS ihre
Spuren zu verwischen wurde das KZ Mauthausen Anfang Mai befreit. Im Unterschied
dazu begann die SS Sachsenhausen in den Morgenstunden des 21. April zu räumen,
als die Rote Armee nahte. 33.000 Häftlinge wurden auf einen weiteren
Todesmarsch Richtung Nordwesten geschickt, den Tausende nicht überlebten.
Liebe Genossinnen und Genossen,
liebe Freundinnen und Freunde,
es gibt keine Worte um die Grausamkeit und Unmenschlichkeit der Nazis angemessen zu beschreiben und doch müssen wir drüber reden. Wie viele von euch habe ich mich in der Vergangenheit mit unterschiedlichsten Aspekten des Holocaust beschäftigt und merke doch immer wieder, z.B an dem Schicksal der KZ Häftlinge von Lieberose, wie wenig ich eigentlich weiß. Und ich stelle mir die Frage: wie soll das künftig werden, wenn immer weniger Überlebende vom Faschismus zeugen können? Schon heute erleben wir, dass Gedenkveranstaltungen ritualisiert werden und zu bloßen Lippenbekenntnissen verkommen. Die tatsächliche Auseinandersetzung mit den Lehren des Faschismus gerät in den Hintergrund. Umso positiver stimmt es mich, dass ihr heute alle hier seid – an einem Tag, der in keinem staatlichen Gedenkkalender vorkommt und an einem Ort, der uns daran erinnert, dass die Taten der Nazis nicht unsichtbar waren, sondern vor den Augen der deutschen Mehrheitsgesellschaft stattfanden. Ich glaube, es wird uns nur gelingen gegen das Vergessen zu gewinnen, wenn wir so wie heute zeigen, dass die Verbrechen der Nazis nicht auf einzelne Orte, heutige Gedenkstätten, beschränkt gewesen sind. Wenn wir uns und künftigen Generationen vergegenwärtigen, dass die systematische Vernichtung von Bevölkerungsgruppen nicht in Auschwitz begann, sondern in jedem einzelnen Ort ihren Anfang genommen oder ihren Ausdruck gefunden haben. In diesem Sinne:
gegen das Vergessen!
Nie wieder Krieg – Nie wieder Faschismus!
Hochschulführungen müssen weiblicher und ostdeutscher werden!
Das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) hat eine Studie veröffentlicht, wonach nur 23,5 Prozent der Deutschen Universitäts-LeiterInnen Frauen sind. Kein einziges universitäres Führungsamt ist mit einem oder einer Ostdeutschen besetzt.
Die Zahlen des CHE sind ein doppeltes Armutszeugnis. Es zeigt, wie sehr Frauen und Ostdeutsche nach wie vor benachteiligt sind – 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts und 30 Jahre nach der Wende in der DDR. Das Bewusstsein über diese Missstände wächst, aber es wächst zu langsam.
Die Politik muss jetzt handeln. Mit dem Paritégesetz haben wir in Brandenburg einen Weg gefunden, mit dem Frauen entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil im Parlament vertreten sein werden. Solche Wege müssen wir auch für die Hochschulen suchen.
Internationaler Holocaust-Gedenktag
Heute vor 74 Jahren befreite die Rote Armee die Überlebenden des Vernichtungslagers Auschwitz. Dessen Name ist zum Synonym für den staatlich organisierten millionenfachen Mord an Jüdinnen und Juden geworden und mahnt wohin Antisemitismus, Rassismus und Nationalismus führen können.
Wer Verantwortung für die Zukunft übernehmen möchte, der muss Verantwortung für die Vergangenheit und Gegenwart übernehmen. Es ist an uns die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus wachzuhalten, historisches Wissen zu vermitteln und eine kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit gegen Angriffe von rechts zu verteidigen.
Alltägliches Engagement gegen Ressentiments, Menschenfeindlichkeit und Diskriminierung gehören ebenso dazu wie die Förderung und Stärkung jüdischen Lebens in Deutschland. Judenfeindlichkeit hat keinen Platz in unserer Gesellschaft, die Würde des Menschen ist und bleibt unantastbar.
Gedenken an Karl Liebknecht
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen,
genau heute vor 100 Jahren wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht durch rechte Freikorps, ermordet. Aus den Briefen und Memoiren des Offiziers Waldemar Papst, dem Ersten Generalstabsoffizier der Garde-Kavallerie-Schützen-Division, hat Klaus Gietinger die Geschehnisse des 15. Januar 1919 rekonstruiert. So gab er ggü. dem Deutschlandfunk, der erst heute einen Artikel dazu veröffentlichte an:
„Luxemburg und Liebknecht waren am Abend des 15. Januar 1919 festgesetzt worden und von einer selbsternannten Bürgerwehr ins Eden-Hotel gegenüber dem Berliner Zoo transportiert worden. Dieses Hotel war die Zentrale der Garde-Kavallerie-Schützen-Division. Hier wurden die beiden Politiker verhört und Liebknecht bereits schwer verletzt. Luxemburg und Liebknecht wurden dann mit dem Auto vorgeblich ins Gefängnis transportiert. Eine Panne wurde fingiert. Liebknecht wurde ‚in den dunklen Tiergarten‘ geführt und von hinten erschossen, so Gietinger. Luxemburg sei im Auto getötet und ‚auch noch in den Landwehrkanal geworfen‘ worden.“
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen,
wir stehen heute nicht nur hier, um an die Ermordung der beiden Revolutionäre und Mitbegründer der KPD zu erinnern. Wir stehen heute vor allem hier, um an das zu erinnern, wofür sie gekämpft haben und um ihre Überzeugungen nicht aus dem Blick zu verlieren.
Der 1871 geborene Karl Liebknecht wurde, obwohl er zum Zeitpunkt der Wahl aufgrund seiner Schrift „Militarismus und Antimilitarismus“ wegen Hochverrat im Zuchthaus saß, 1908 in das Preußische Abgeordnetenhaus gewählt. Vier Jahre später, also 1912, gewann er nach zwei zuvor erfolglosen Versuchen den sog. Kaiserwahlkreis, zu denen Potsdam-Spandau und das Osthavelland zählten und zog als einer der jüngsten Abgeordneten für die Sozialdemokraten in den Reichstag ein.
Rosa Luxemburg Satz: „Zu sagen was ist, bleibt die revolutionärste Tat“ steht für mich sinnbildlich für Karl Liebknechts Zeit als Parlamentarier. Aus heutiger Perspektive lässt es sich vermeintlich einfach sagen, dass er derjenige war, der sich konsequent gegen die Kriegskredite stellte. Vergegenwärtigt mensch sich jedoch den kollektiven deutschen Kriegstaumel bei Ausbruch des 1. Weltkrieges und den Druck, den Karl Liebknecht als Mitglied der SPD Fraktion ausgesetzt war, kann mensch ein wenig mehr erahnen, mit welcher Vehemenz Karl Liebknecht seine Positionen verteidigte. Und auch wenn die Situation von 1919 wahrlich nicht mit unserer heutigen vergleichbar ist, so ist es doch diese Vehemenz Liebknechts mit der er sich trotz aller Widerstände für Frieden und Gerechtigkeit engagierte, die den größten Eindruck bei mir hinterlässt und wahrlich zeitlos ist.
Deshalb möchte ich meinen Redebeitrag mit einem Zitat von ihm beenden:
„Das Unmögliche zu wollen, ist die Voraussetzung dafür, das Mögliche zu schaffen!“
Kandidatur Landtagswahl 2019 in Potsdam
Liebe Genossinnen und Genossen,
bei der kommenden Landtagswahl geht es um nicht weniger als die grundlegende Frage, in welcher Gesellschaft wir leben wollen und werden. Die Mobilisierungsfähigkeit neonazistischer und offen rassistischer Strukturen, die zunehmende Gewalt gegenüber Geflüchteten, das Schüren und die Instrumentalisierung von Angst, sowie die Angriffe auf Grund– und Freiheitsrechte auf allen politischen Ebenen, sind Ausdruck eines offensichtlichen und gefährlichen Rechtsrucks. Gleichzeitig erleben wir, dass Menschen jeden Alters sich gegen diesen Rechtsruck organisieren und versuchen in Stadtteilnetzwerken, kulturellen Einrichtungen oder emanzipatorischen Freiräumen ihre Vorstellungen eines solidarischen, selbstbestimmten Miteinanders zu entwickeln und zu leben. Es ist klar, dass wir als LINKE an ihrer Seite stehen müssen – nicht nur physisch wie bei den Anti-Pogida–Protesten oder jenen gegen den Abriss der Fachhochschule in der Potsdamer Innenstadt, sondern auch durch die Aufnahme der von ihnen artikulierten Forderungen in den Parlamenten. Das Verschwinden der Fachhochschule und mit ihr die Verdrängung der Studierenden aus der Potsdamer Mitte war in den vergangenen Monaten nur einer der Konflikte, der die Frage „Wem gehört die Stadt?“ offensichtlich gemacht hat. Unsere Antwort darauf kann nur die Forderung nach einer Stadt für alle sein. Statt der weiteren Privatisierung öffentlichen Bodens oder aber des Wiederaufbaus der Garnisonkirche müssen wir uns auf Stadt– und Landesebene für studentischen und sozialen Wohnungsbau, eine Stärkung der vielfältigen und lebendigen Kulturszene, bessere Mobilität, die Demokratisierung der Stadt, die Stärkung des Potsdamer Wissenschaftsstandortes und die Stabilisierung der gesundheitlichen Versorgung einsetzen. Die vergangenen Wahlen haben gezeigt, dass wir in all denen, die diese Auseinandersetzungen führen, nicht nur Verbündete, sondern auch potentielle Mitstreiter_innen und Unterstützer_innen finden.
2014 wurde ich durch die Linksjugend [′solid] Brandenburg als Kandidatin des Jugendverbandes für die Landtagswahl nominiert war seitdem als Landtagsabgeordnete parlamentarisch aktiv. Als langjährige Einwohnerin Potsdams bewege ich mich viele Jahre lang im linksalternativen Umfeld der Stadt und habe mich in diversen Projekten engagiert. Ganz konkret konnte ich als Sprecherin für Hochschul-, Wissenschafts- und Forschungspolitik der Linksfraktion, die zuvor außerhalb des Parlaments mit den Studierendenschaften im Rahmen der Novellierung des Brandenburgischen Hochschulgesetzes entwickelten Forderungen in den Landtag tragen und für ihre Umsetzung streiten. Dabei ging es beispielsweise um die Einführung einer studentischen Personalvertretungsstruktur, damit auch studentisch Beschäftigte ihre Arbeitnehmer_innenrechte endlich wahrnehmen können oder die Stärkung der Studentenwerke, als Träger der öffentlichen Sozialstruktur und des in Potsdam dringend benötigten Wohnungsbaus. Die Abschaffung der versteckten Studiengebühren müssen wir noch bis zum Ende der Legislatur umsetzen. Gelungen ist uns die Stärkung des Moses Mendelssohn Zentrum, als jene Einrichtung, welche die Entwicklung neonazistischer Organisationen und Strukturen wissenschaftlich aufarbeitet und für die Öffentlichkeit zugänglich macht. Mit dem MMZ, antifaschistischen Recherchekollektiven, Journalist_innen und anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren, wie dem Aktionsbündnis Brandenburg, werden wir nach Ende des NSU Untersuchungsausschusses in Brandenburg daran arbeiten müssen, dass a.) die nach wie vor offenen Fragen zum Umfeld des NSU weiter aufgeklärt werden und b.) auch die bis heute bestehenden personellen, ideologischen und zum Teil strukturellen Kontinuitäten offengelegt werden. Der Schwerpunkt meiner Arbeit im NSU Untersuchungsausschuss lag in der Aufarbeitung genau dieser Verbindungen zwischen der Potsdamer Neonaziszene und ihren Verbindungen in jenes Blood & Honour Umfeld in Chemnitz, in das Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt „untertauchten“.
Auch wenn ich mich in den vergangenen Jahren parteipolitisch in dem durch mich als Abgeordnete betreuten Landkreis Uckermark engagiert habe, war meine Zusammenarbeit mit den vielfältigen politischen Strukturen Potsdams immer aktiv und fruchtbar. Ich glaube, dass das für uns als Partei eine Chance bei den kommenden Landtagswahlen sein kann und habe mich daher dazu entschieden, mich als Kandidatin für den Wahlkreis 21 zu bewerben.
Ich freue mich auf euch, auf eure Unterstützung und auf einen engagierten Wahlkampf für ein solidarisches, soziales, lebendiges und vielfältiges, kurz linkes Potsdam.
Isabelle Vandre
Mehr 1968 statt 2018 ? – Dr. Andreas Keller zu Gast in Potsdam
Neben dem 200. Geburtstag von Karl Marx oder 100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland jähren sich in diesem Jahr die Studierendenproteste von 1968 zum 50. Mal. Aus diesem Anlass lud Isabelle Vandre, die Hoschul-, Wissenschafts- und Forschungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Brandenburger Landtag, Dr. Andreas Keller, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), am 16. Oktober ins Kulturzentrum freiLand Potsdam ein.
Anhand der Schwerpunkte Hochschulstruktur, Zugang zu Hochschulen und Arbeitssituation an den Hochschulen verdeutlichte er in seinem Vortrag, dass die Ende der 1960er Jahre erhobenen Reformforderungen bis heute nichts an Aktualität verloren haben. So habe sich die Forderung nach Hochschulautonomie mittlerweile zwar etabliert, werde heute aber eher als Präsidialautonomie interpretiert. Das Ansinnen der Demokratisierung der Hochschulen, mit der auch die professorale Mehrheit in Frage gestellt werde, sei bisher leider kaum realisiert. Auch im Bereich der Hochschulöffnung gebe es nach wie vor viel zu tun. Andreas Keller thematisierte hier die durch die LINKE wiederholt geforderte BAföG-Reform und diskutierte mit den Anwesenden aktuelle Zugangshürden. Bezüglich der Arbeitssituationen an den Universitäten und Hochschulen waren sich alle darin einig, dass Kettenbefristungen wirksam begegnet werden und der Grundsatz „Daueraufgaben nur für Dauerstellen“ endlich Eingang in die Hochschulgesetze finden muss.
Kleine Anfrage: Befristung von Wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen an den Brandenburger Hochschulen
Kettenbefristungen, geringe Planungsmöglichkeiten und daraus resultierender Stress sind seit Jahren beklagte Realität der Mehrheit der Wissenschaftlichen Beschäftigten an den Hochschulen. Große Hoffnungen setzten die Mitarbeiter_innen und die Gewerkschaften daher insbesondere in die 2016 erfolgte Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes. Diese blieb jedoch weitestgehend hinter den Erwartungen zurück. Zwar wurde in dieser geregelt, dass die Befristung von Arbeitsverträgen nur noch bei drittmittelfinanzierten oder zur wissenschaftlichen Qualifizierung besetzten Stellen zulässig sei, allerdings erfuhr der Terminus „wissenschaftliche Qualifizierung“ eine flexible Definition durch die Bundesregierung, indem unter diesem jeglicher „Erwerb wissenschaftlicher Kompetenzen“ über formale Qualifikationen hinausgehend, subsummiert wurde.
Dem gegenüber steht die stetig wachsende Bedeutung der Wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen an den Hochschulen. Sie realisieren einen Großteil der Lehre, prüfen Studierende, leisten inhaltliche und organisatorische Zuarbeit bei Forschungen, organisieren wissenschaftliche Konferenzen, bringen sich in wissenschaftliche Debatten ein und leisten nicht selten organisatorische Arbeit für die Akquise von Drittmitteln.
Ich fragte daher die Landesregierung, wie sie die Situation der Wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen an den Brandenburger Hochschulen bewertet: 9342_Befristung von Wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen an den Brandenburger Hochschulen
Der NSU – Prozess: nicht das Ende, sondern erst der Anfang der Aufklärung
Das Urteil ist gesprochen. Nach 438 Prozesstagen und über 5 Jahren Gerichtsverhandlung wurde Beate Zschäpe zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe unter Feststellung der besonderen Schwere der Schuld wegen Mittäterschaft an den Morden an Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat und Michèle Kiesewetter sowie 2 Sprengstoffanschlägen, Mitgliedschaft einer terroristischen Vereinigung und schwerer Brandstiftung verurteilt. Doch das Ende der NSU Aufklärung ist dieses Urteil noch lange nicht. Ich war am Tag der Urteilsverkündung vor Ort in München und verbrachte den ganzen Tag auf der Kundgebung „Kein Schlussstrich“ vor dem Oberlandesgericht – nachfolgend eine kurze Zusammenfassung meiner Eindrücke.
Die Öffentlichkeit der Straße
Bereits in den frühen Morgenstunden versammelten sich dutzende Personen vor dem OLG-Gebäude und auf der extra gesperrten Sandstraße, um ab 9:30 bei der Urteilsverkündung anwesend zu sein. Zahlreiche Kamerateams berichteten den gesamten Tag über das Geschehen. Daran, dass gar nicht erst der Eindruck eines Endes der Aufarbeitung der Taten des NSU und seines Unterstützungsnetzwerkes entstehen konnte, arbeiteten unzählige Initiativen, die vor dem Gericht ab 8:00 eine erste Kundgebung abhielten und am Abend bundesweit an verschiedenen Orten auf die Straße gingen. Die Präsentationen und Redebeiträge hielten den ganzen Tag. Die Forderung lautete überall gleich: Kein Schlussstrich! Kein Schlussstrich, weil immer noch nicht geklärt werden konnte, wie genau der „NSU“ seine Opfer auswählte und seine Taten plante. Weil die Rolle des Staates und seiner Behörden bisher weder lückenlos geklärt wurde, noch die betreffenden Beamt_innen in irgendeiner Weise zur Verantwortung gezogen wurden. Weil als Migrant_innen stigmatisierte Menschen auf Grund des gesellschaftlichen Rassismus in stetiger Angst vor Übergriffen leben. Weil sie, wenn sie Opfer rassistischer Taten werden, nicht geschützt und unterstützt werden, sondern viel zu häufig selbst in den Fokus der Ermittler_innen geraten. Und: weil Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe nie allein waren.
Der NSU war nicht zu Dritt!
Die Fakten sind eindeutig: Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe waren Teil der Jenaer Struktur des so genannten Thüringer Heimatschutzes, blieben aber auch nach ihrer Flucht in Kontakt mit Einzelpersonen, wie Ralf Wohlleben, fanden im Januar 1998 Zuflucht in der sächsischen „Blood & Honour“ – Szene, die sie mit Geld, Wohnungen, Pässen und vielleicht auch mit Waffen versorgte. Sie waren und blieben Teil einer deutschlandweit agierenden Neonaziszene, die Ende der 1990er den führerlosen, bewaffneten „weißen Rassekrieg“ ausgehend von Nationalrevolutionären Zellen (NRZ) anstrebte. So sagte Hendrik Lasch beispielsweise vor dem OLG auf die Frage zum Untertauchen des Kerntrios: „Das gab’s so nicht; das war kein Untertauchen und wieder Auftauchen. Es gab einen stetigen Kontakt; immer mal in Chemnitz hat man sich gesehen.“ Für die Nebenklagevertreter_innen und die Mitglieder der Untersuchungsausschüsse des Bundes und der Länder steht daher fest: der NSU ist ein Netzwerk gewesen, kein Trio. Stück für Stück leuchteten sie in den vergangenen Jahren, wie auch antifaschistische Recherchekollektive, dieses Netzwerk aus. Als Brandenburger Untersuchungsausschuss arbeiten wir gerade das Näheverhältnis der Potsdamer und Chemnitzer B&H – Szene auf, um unseren Beitrag zur Aufklärung des NSU Netzwerkes zu leisten.
Entgegen dieses öffentlichen Kenntnisstandes hat die Bundesanwaltschaft jedoch bis zuletzt ander These eines isolierten Trios festgehalten. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl folgte ihr, indem er Beate Zschäpe wegen Mittäterschaft verurteilte, aber alle anderen Angeklagten nur zu den Unterstützern zählte, nicht zu Mitgliedern. Und auch wenn das Urteil somit erwartbar gewesen ist, verbreiteten sich nach Bekanntwerden des Urteils Fassungslosigkeit, Wut und Frustration auf der Kundgebung. Wie kann André Eminger, der die Drei zwischen 1998 und 2011 unterstütze und sogar das Wohnmobil anmiete, das Mundlos und Bönhardt für den Bombenanschlag in der Keuppstraße in Köln nutzten, nur 2 Jahre und 6 Monate erhalten und sogar zum Teil freigesprochen werden, indem den „glaubhaften“ entlastenden Aussagen Zschäpes gefolgt wird? Wie kann das Gericht die Glaubhaftigkeit Zschäpes Angaben in Frage stellen und sie entgegen ihrer Darstellung der vollen Mittäterschaft überführen, ihr aber gleichzeitig glauben, wenn sie Eminger entlastet? Dass die anwesenden Neonazis das Urteil und die Entlassung Emingers ohne Ermahnung des Gerichts mit Jubel und Beifall begleiten konnten, war bereits für die Kundgebungsteilnehmer_innen ein Affront. Die Angehörigen der durch den NSU Ermordeten mussten diese Situation im Gerichtssaal mit ertragen – erneut ohne sie unterstützende Positionierung staatlicher Instanzen.
Das Problem heißt Rassismus
Während bei der Urteilsverkündung im Gerichtssaal weder die Auswirkungen der Ermittlungen gegen die Familien der NSU-Opfer, noch der gesellschaftliche Rassismus thematisiert wurden, wurden auf der Kundgebung vor dem Gericht die Kontinuitäten deutlich. Nicht nur die zahlreichen Initiativen, die die Angehörigen der durch den NSU Ermordeten und die Überlebenden der Sprengstoffanschläge kamen zu Wort. Auch die Erfahrungen derjenigen, die Anfang der 1990er Jahre die Brandanschläge auf Geflüchtetenunterkünfte überlebten, zeugten von rassistischen Ermittlungen, die immer zuerst die Opfer verdächtigten und ihnen kriminelle Machenschaften unterstellten, statt in den Anschlägen einen weiteren traurigen Höhepunkt der im gesamten Bundesgebiet stattgefundenen Pogrome zu sehen.
Wut und Trauer wird zu Ohnmacht, wenn die Schlussstrichmentalität gewinnt
Axel Hoffmann, ein Vertreter der Nebenklage, sagte in seiner ersten Bewertung des Urteils: „Antifaschismus ist Handarbeit. Keine Polizei, keine Staatsanwaltschaft, kein Gericht kann uns die Aufgabe abnehmen. Das müssen wir selbst tun.“ Das Motto der Kundgebung und der bundesweiten Demonstrationen „ Kein Schlussstrich“ ist vor dem Hintergrund nicht nur als politische Forderung, sondern auch als gesellschaftliche Selbstaufforderung zu interpretieren. Nicht nur die staatlichen Ermittlungsbehörden haben darin versagt, den NSU zu finden, auch die Zivilgesellschaft war während der NSU Mordserie nahezu blind für die Geschehnisse. Es waren allein die Angehörigen der Mordopfer die als erste eine Parallele zwischen den Morden zogen und sich mit der Forderung „Kein 10. Opfer – Stoppt die Mörder“ im Juni 2006 Gehör verschaffen mussten. Es geht also nun nach Ende des NSU Prozesses a.) um die weitere Aufklärung des Unterstützungsnetzwerkes und b.) darum dem gesellschaftlichen Rassismus konsequent entgegen zu treten. Immer und Überall!