Liebe Aktivistinnen und Aktivisten,
wir haben heute schon ein paar Mal gehört, warum die
Änderungen der Europäischen Datenschutzgrundverordnung in Artikel 11 – 13
abzulehnen ist und welche weitreichenden Folgen diese Neufassungen für das
Internet, wie wir es bisher kannten und nutzten, haben werden. Was mich jedoch
in der Debatte am meisten aufregt, ist die Begründung der Artikeländerung, in
der auf den Schutz von Künstlerinnen und Künstlern abgestellt wird. Ich glaube,
wir alle hier sind uns einig darin, dass insbesondere kleine und junge Künstler_innen
gestärkt werden und sie leichter für ihre Arbeit bezahlt werden müssen.
Die Änderung der Artikel 11 – 13 wird aber genau das nicht
ermöglichen!
Die International Federation of Journalists stellte treffend
fest: „Die Urheberrechtsrichtlinie verspottet Autorenrechte von Journalisten,
indem sie Übernahmeverträge und Mobbing fördert, um Journalisten zu zwingen,
ihre Rechte abzutreten, und den Verlegern eine Freifahrt ermöglicht, um mehr
Gewinne zu erzielen, während die Journalisten Null erhalten.“
Worin genau die Gefahren für Künstler_innen, Autor_innen und Kunstschaffende besteht, hat Joe McNamee in dieser Woche eindrucksvoll in einen Gastbeitrag auf Netzpolitik.org zusammengefasst. Er argumentiert, dass Kreative es zukünftig mit drei Akteuren aufnehmen müssten: den Plattformen, den Verwertungsgesellschaften und den Filtergesellschaften.
1. Die Plattformen
Es sind die Plattformen die künftig für Urheberrechtsverstöße haftbar gemacht werden sollen. Ganz abgesehen davon, dass nur Uploadfilter dazu in der Lage sein werden die Datenmenge kontrollieren zu können und dabei eine absurde Praxis entstehen wird, werden die Plattformen auf Grund der unterschiedlichen nationalen Urheberrechtsnormen in den Mitgliedsländern der EU einen restriktiven Umgang mit Daten entwickeln, wollen sie keine Konsequenzen davon tragen. Für die Kunstschaffenden bedeutet dies, dass der Druck im Zweifel über die Plattformen an sie weitergegeben wird und die Abhängigkeitsverhältnisse zu wenigen, quasi Monopolisten, zunehmen werden. Ihnen wird die Freiheit genommen die eigenen Inhalte überall dort einzubringen, wo sie möchten. Und selbst wenn sie sich auf eine Plattform fokussieren, obliegt es dieser Plattform den Betroffenen Lizenzvereinbarungen zu verwehren, die Künstler_innen zu blockieren oder Inhalte zu entfernen.
2. Die Verwertungsgesellschaften
Wollen Kreative nicht allein mit den großen Plattformen
verhandeln – mit allen Aspekten, die damit einhergehen – haben sie die Option
mit sog. Verwertungsgesellschaften zusammen zu arbeiten. Diese verlangen jedoch
einen Teil der Einnahmen der Personen, deren Werke sie lizensieren und
identifizieren.
Wie umstritten die Verwertungsgesellschaften sind und was
ihr Agieren in der Konsequenz bedeutet, konnte ich als hochschulpolitische
Sprecherin meiner Fraktion vor ein paar Monaten in der Auseinandersetzung
zwischen den Hochschulen und der VG Wort sehen. Auseinandersetzungsgegenstand
war: dürfen Hochschulen für Lehrveranstaltungen ihren Studierenden
Literaturquellen z.B. online zur Verfügung stellen oder verstößt das gegen die
Nutzungsvereinbarung mit der VG Wort und wenn ja, wie viel Geld müssen die
Hochschulen an die VG Wort bezahlen? Ich finde, das offenbart noch eine andere
Dimension der Debatte, die eigentlich im Fokus stehen sollte: wie tarieren wir
gesellschaftlich die legitimen Ansprüche aus, auf der einen Seite
Wissenschaftler_innen, Künstler_innen etc. gut zu bezahlen und auf der anderen
Seite Wissen öffentlich zugänglich und nutzbar zu machen? Wenn staatliche
Hochschulen, an denen mit staatlichen Mitteln wissenschaftliche Erkenntnisse
produziert und publiziert werden, für die Verwendung ihrer eigenen Erkenntnisse
staatliche Mittel an eine Verwertungsgesellschaft bezahlen müssen, ist das absurd,
aber sicherlich keine zu befördernde Form der Interessensvertretung.
Doch kommen wir zu dem 3. Akteur, mit dem sich Kreative auseinandersetzen werden müssen, laut Joe McNamee:
3. Die Filtergesellschaften
Die Relevanz von
Filtergesellschaften wird mit der Änderung von Artikel 13 weiter steigen, weil es
nur wenige Unternehmen gäbe, die überhaupt über die Technologie zur Erfüllung
der Verpflichtungen in der Richtlinie verfügen würden, führt er an. Im Ergebnis
habe die Person, die ihre Arbeit zuerst in der Datenbank der
Filtergesellschaften hoch lädt, die Kontrolle über zukünftige Verwendungen.
Risiko: irgendjemand anderes hat bereits etwas Ähnliches hervorgebracht und war
schneller. Die ersten Fälle absurder Sperrungen auf Grund dessen habe es
natürlich bereits gegeben.
Liebe Aktivistinnen und Aktivisten,
Was ich euch anhand dessen zeigen wollte ist, dass nicht
einmal die vorgebrachte Begründung der Änderung der Datenschutzgrundverordnung
trägt: der Schutz und die Stärkung von Kunstschaffenden.
Auch deshalb sage ich: Nein zur Änderung von Artikel 11 – 13!
Safe Your Internet!
Diese Rede hielt ich auf der Potsdamer Demo am Aktionstag gegen die Einführung von Artikel 11-13.